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Tina90 - 5. Okt, 18:25
Losers and Winners – ein globalisierter „Culture Clash“
Schätzungsweise 20 Chinesen mit Helmen sitzen an einem Tisch und diskutieren angeregt. „Ihr müsst euch ihre Gewohnheiten merken und dann flexibel sein.“ „Ihre“,... das sind „die Deutschen“. Die Arbeiter, die früher in der Kokerei Kaiserstuhl in Dortmund gearbeitet haben und nun beim Abbau mit Rat und Tat zur Seite stehen sollen. Eine Aufgabe, die beiden Seiten nicht sehr leicht fällt.
Abbruch West – Aufbau Fernost: Das Thema dieses Dokumentarfilms ist in Zeiten der Globalisierung hochaktuell. Die in Dortmund im Jahre 1992 in Betrieb genommene und nach acht Jahren stillgelegte Kokerei Kaiserstuhl hat sich nicht rentiert. Auch die Tatsache, dass die Anlage die modernste der Welt war hat nichts daran geändert, dass der Koks aus dem Ausland billiger war. Qualität weicht der Profitgier, ein Phänomen, das heutzutage nicht nur bei großen Industrieangelegenheiten anzutreffen ist.
Zugeschlagen hat die Firma „Yankuang“, ein Unternehmen mit Blick in die Zukunft – wie zweifellos festzustellen ist. Da wird ein Mercedes Werbeposter als Metapher für das eigene Land umfunktioniert: „Das „alte Modell“ fährt von uns weg, die „neuen“ bewegen sich auf uns zu.“ Oder auch die sehr bezeichnenden Worte eines Arbeiters: „Das Meer des Lernens kennt keine Ufer.“ Es sind Zitate wie diese, die den Charakter der Chinesen im Film darstellen und repräsentieren. Der feste Wille, eines Tages technisch so weit wie Deutschland zu sein, scheint tief in den Köpfen verankert. Der Profit mit der Profitgier – billige Arbeiter und billige Materialien ermöglichen es westlichen Ländern kaum, China die Stirn zu bieten. Eine hochmoderne Kokerei kurzerhand 8000 Kilometer nach Osten zu versetzen ist da nur ein kleiner Faktor.
Doch trotz all dieser Zukunftsvisionen scheinen die Fernostler noch immer politisch verklärt und rückständig. Mao-Zitate und Lieder über den Kommunisten halten den Glauben und die Propaganda ans Vaterland ebenso aufrecht wie „Du sollst die Würde unseres Staates verkörpern“ und „Du sollst reichhaltiges und besseres Leben anstreben.“ Mit dem reichhaltigen Leben ist man sich nicht sicher, wenn zwei der Arbeiter erzählen, dass ihre Unterbringung auf dem Bau in China nicht so komfortabel wie hier sei – in einem kahlen weißen, kleinen Zimmer mit sehr schlecht aussehenden Betten sitzend. Doch da das Meer des Lernens ja bekanntlich keine Ufer kennt räumt auch der Chef ein, dass in Deutschland bereits viel gelernt wurde – zum Beispiel wie sehr die Deutschen auf den Umweltschutz achten. In ihrem Heimatland hätte man die ganzen wilden Tauben wohl schon längst gefangen und gegessen – ein Glück für die fetten Dortmunder Stadttauben.
Die Situationskomik dieser Dokumentation ist durchaus amüsierend – auch, dass die kleine und zart aussehende Dolmetscherin grundsätzlich von beiden Seiten auf die Mütze bekommt, weil deutsche und chinesische Arbeiter sich nicht direkt verständigen können, hat einen gewissen Charme. Verärgerte deutsche Ex-Koker die sich über falsch angeschlossene Steckdosen ärgern und feststellen, dass Leitern mit Draht zusammengeflickt wurden um 20 Meter hohe Dächer zu erreichen, ebenso.
Gleichzeitig wird man bei dem Film aber auch nachdenklich. Eine gewisse Melancholie drückt sich durch stille Aufnahmen des Kokerei-Geländes und Interviews mit desillusionierten Deutschen in weiten Teilen in den Vordergrund. Die Chinesen dabei zu beobachten, wie sie den alten Arbeitsplatz abbauen lässt unweigerlich die Gedanken an die Vergangenheit überwiegen. Das, was sie zuvor mühevoll und intensiv gewartet und gepflegt haben, „verrottet“ jetzt brachliegend auf den Abtransport wartend.
Geredet wird zwischen den Parteien nur, wenn es notwendig ist. Eine unterschwellige Antipathie gegenüber der fremden Zivilisation schwingt bei jeder Unterhaltung mit. Obwohl sich Werner und Co. Mühe geben, den Chinesen Tipps zu geben, werden vor allem diese das Gefühl nicht los, dass eine gewisse Arroganz hier die Vorherrschaft hat. „Chinesen sind auch klug, nicht dumm, das ist keine gute Zusammenarbeit“ äußert sich einer der Asiaten in gebrochenem, doch zielsicherem Deutsch. Werners fast Verständnis-heuchelnde Meinung dazu: „Ich mein, die können ja nichts dafür [dass sie keine Ahnung davon haben, was sie tun“; Anm. d. Autorin].
Auch die Arbeitshaltung birgt aus allem vorhergesagtem resultierend einen krassen Kontrast: Die sonst sehr ruhigen Chinesen wirken fast übermotiviert, diskutieren angeregt. Auch mit unterschiedlichen Löhnen wird den Arbeitern Druck gemacht, die Lage verdeutlicht. „Nichts bleibt wie es einmal war, das kann euch nicht egal sein.“ Die „Liste der Glanzvollen und Ruhmreichen“ spricht für sich und erinnert an das Amerikanische „Employee of the month“ - eine Belohnung für den fleißigsten und erfolgreichsten Arbeitnehmer des Monats. Ob hierbei die Arbeitsmoral auf der Strecke bleibt oder angespornt wird ist sicherlich ein großer Streitpunkt. Die Deutschen dagegen lassen sich Zeit, denn sie haben genug davon, sie haben nichts zu verlieren, nichts zu gewinnen. Selbst bei den Worten „Wenn die nächsten hundert kommen, weiß ich nicht wie man da den Überblick behalten soll“ wirkt Werner gelassen. Er lässt alles auf sich zukommen.
An Preisen und Auszeichnungen mangelt es dem Film sicher nicht – doch wird hier mit den Erwartungen gespielt? Auf eine Handlung wartet man vergeblich, was dem Film gewisse Längen verleiht. Die Bilder wirken amateurhaft gedreht, was jedoch neben der Tatsache, dass es eine WDR Produktion ist, intuitiv auch für die Seriösität dieser Dokumentation spricht.
Minutenlange, mit chinesisch anmutender Musik unterlegte Szenen der Bauarbeiten, des langsam zur Brache werdenden Geländes wirken an einigen Stellen dröge. Auf einem Kokereigelände gibt es nicht viel Schönes und Neues zu sehen. Die Szenerie verliert an Reiz. Die Konsequenzen für die Protagonisten bleiben an vielen Stellen offen. Auch die Dokumentation der Silvesterfeier der Chinesen bei propagierendem Fernsehen und glückbringendem Essen erschließt sich der Intention des Filmes nicht ganz. Die starke Divergenz der Grundeinstellung ist aber eine ganz zentrale und gut herausgestellte These des Filmes. Wie man mit der Globalisierung umgeht, ob man aufgibt oder weitermacht, sich anpasst oder auf alten Schienen bleibt ist etwas, das China und Deutschland trennt wie sonst kaum etwas. Vielleicht lehrt dieser Film, dass uns Arroganz, Sport treiben und Umweltschutz nicht mehr lange am Leben hält – Wo ist das bissige Deutschland hin?
Tina90 - 21. Jan, 21:02
Christoph Schlingensief als Mann, der keine halben Sachen macht
„Ich konnte Kunst und Leben nie trennen“
Christoph Schlingensief sitzt in einem weißen Polsterstuhl und erzählt. Erzählt von der schweren Krankheit, die ihn und sein Leben stark zeichnet. Denn das Enfant terrible der deutschen Film- und Theaterszene leidet an Lungenkrebs, eine Chance auf Heilung besteht nicht. Um die 1,5 Millionen Menschen sehen ihm dabei zu, wie er scheinbar entspannt, fast schon pathetisch über die Veränderungen und Konstanten seines Lebens spricht.
„Wie bringe ich es auf den Punkt?“ fragt sich der 49-jährige Regisseur immer wieder. Diese Frage ist sein Leitfaden, nicht nur im Theater. Seit April 2008 spielt sie auch in seinem Leben, welches durch die Diagnose Lungenkrebs eine Vollbremsung gemacht hat eine große Rolle. Nachdem der Husten immer stärker wurde, wollte er es nicht wahrhaben. Es hätte ja auch ein Pilz sein können, den er sich auf einer seiner vielen Reisen eingefangen hat.
Doch es war kein Pilz. Der Tumor hat ihn einen Lungenflügel gekostet, im anderen haben sich zwanzig bis dreißig Metastasen gebildet. Er ist gefangen in der Maschinerie der Krankheit. „Für ihn ist es unmöglich, mit seinem Leiden einen Vertrag zu schließen“ sagt Schlingensief. Der Krebs scheint hinterhältig, kann aus dem Nichts kommen, „hat viel mit der Psyche und Angst zu tun“ sieht er vor allem rückblickend ein. Er will rausgehen, arbeiten und auf keinen Fall depressiv werden, so wie seine Eltern es oft waren. „Meine Eltern sollten normal sein, in Urlaub fahren oder zusammen essen gehen. Ich war sauer, weil sie selten zufrieden waren.“ Er gab ihnen, vor allem seinem Vater, der selbst in schlimmer Melancholie gefangen war, die Schuld. „Anfangs stiegen meine Selbstzweifel immer mehr. Ich wusste, der Krebs kam.“ Und so betete er gegen die Krankheit der Angst. Und als das nichts brachte, kam unweigerlich die Frage auf: „Wieso ich?“
Schlingensief ist katholisch erzogen, hat Germanistik, Philosophie und Kunstgeschichte studiert. Kultur hat ihn schon immer interessiert. Bereits in seiner Jugend organisierte er Veranstaltungen mit damals eher unbekannten Künstlern wie Helge Schneider, bis er übers Fernsehen dann zum Theater kam. Neben einer Parteigründung und zahlreichen Projekten inszenierte er Opern in Bayreuth und Manaus. Das Leben eines Mannes, der von sich selbst sagt, keine halben Sachen zu machen, der immer stark war. Doch auch er wurde von der Krankheit nicht verschont.
Eine Antwort auf die Schuldfrage gibt es nicht. Der, der sonst immer gottvertraut durch sein Leben ging, sich beschützt fühlte, war auf einmal verlassen, ausgeliefert. Für ihn wurde „der ganze Blick so komisch.“ Zu verstehen, dass sich Leute über verspätete Züge aufregen, während er an einer unheilbaren, tödlichen Krankheit leidet, ist für ihn, für jeden in dieser Situation schwer, wenn nicht unmöglich. Fragen, die einem zuvor absurd vorkamen drängen sich unweigerlich auf: „Wie lange läuft der noch rum? Was hat der für Probleme?“
Christoph Schlingensief hat sich verändert. Dazu hat nach langem in sich gehen auch die Entdeckung positiver Seiten des Todesbewusstseins beigetragen: Dass das Normale eigentlich das Größte ist. Kommt man zu dieser Einsicht erst, wenn man das alles erlebt hat? Kann man das Leben vorher nicht genießen? War alles was man zuvor tat ausschließlich zweckgebunden? – Für ihn schon. Schlingensief scheint allein diese Einsicht zu beruhigen.
„Dadurch hat eine neue Zeiteinheit begonnen. Es gab Neues zu entdecken. Zentrales hat sich geändert.“ Doch nicht die wichtigsten Dinge: Seine Partnerin Aino Laberenz hat ihn zu jeder Zeit unterstützt, auch wenn er mal auf den starken Mann machen wollte, der die Krankheit alleine und zurückgezogen übersteht. Jetzt kommt es ihm absolut „bescheuert“ vor, so reagiert zu haben. Er betrachtet ein Foto, das sie gemeinsam in Bayreuth zeigt. „Sie ist wirklich eine ganz tolle Frau“ sagt er und schaut für kurze Zeit sehr sehnsüchtig. Sie hat ihm die Angst genommen und beruhigte ihn. Ein gutes Gefühl, das ihn ermutigte sie am 1. April 2009 zur Frau zu nehmen – und sei es nur für wenige Monate. „Ich bin froh wenn ich mit ihr zusammensein kann. Die Trennung von ihr kann ich fast nicht begreifen.“
Und trotz dieses Bewusstseins setzt Schlingensief sich konkrete Ziele: „Ich bin darauf aus, dass ich weiß was ich nächstes Jahr mache.“ Er betont eine neue Radikalität und den Willen, noch schärfer zu sein. An einem „Zirkus der Selbstdarstellung und dem permanenten Dabeisein“ will er nicht mehr beteiligt sein. Als Ziel gilt vielleicht nicht nur für ihn, dass die kreisenden Gedanken endlich einen Grund finden. „Lieben wir uns selbst, Gott kann nichts besseres passieren.“
Tina90 - 8. Jan, 21:51
Dieser Jahresrueckblick ist eine alte Blogger-Tradition.
1. Zugenommen oder abgenommen?
Abgenommen, schon wieder
2. Haare länger oder kürzer?
Kürzer, dieses Jahr bin ich mir sicher
4. Mehr Kohle oder weniger?
Definitiv mehr Kohle! Tina hat Arbeit 8-)
5. Mehr ausgegeben oder weniger?
Mehr, weil auch mehr zur Verfügung
6. Mehr bewegt oder weniger?
Auf dem Globus: Hmmm, viel weniger, war dieses Jahr nicht einmal im Ausland, es sei denn Damp zählt. Und ach doch, in Holland war ich auch kurz :)
Ich mich selbst: Mehr!
In meinem Leben: Mehr als letztes Jahr definitiv!
Im Leben anderer: Ich denke auch ein bisschen mehr
7. Der hirnrissigste Plan?
Journalistik studieren... puh
8. Die gefährlichste Unternehmung?
Die Autofahrt nach Dortmund bei absolut rutschiger Straße und kaputten Scheibenwischern
10. Die teuerste Anschaffung?
Das Makroobjektiv für meine Kamera :)
11. Das leckerste Essen?
Silvesteressen war schon sehr geil, aber ich hatte total oft viel leckerere Essen wie z.B. Kartoffelsalat mit Würstchen, oder Braten mit Rotkohl und Klößen oder ne gute Mantaplatte
12. Das beeindruckendste Buch?
Tender Bar <3
13. Der ergreifendste Film?
District 9, Star Trek, irgendwie war 2009 ja jetzt auch nicht so ergiebig, oder?
14. Die beste CD?
Puh, schwer, weil dieses Jahr war echt ein Jahr vieler Veränderungen... Ich wähle Death Cab For Cutie - Transatlanticism
15. Das schönste Konzert?
Get Up Kids :)
16. Die meiste Zeit verbracht mit …?
Anni, Tim
17. Die schönste Zeit verbracht mit …?
Denen, aber auch ein paar anderen Menschen, die sich hier ruhig angesprochen fühlen dürfen!
18. Vorherrschendes Gefühl 2008?
Panik, Aufgeregt, Chaos
19. 2009 zum ersten Mal getan?
Studiert
20. 2009 nach langer Zeit wieder getan?
EDG - einfach drauf geschissen
21. Drei Dinge, auf die ich gut hätte verzichten mögen?
1. Diverse Gefühlschaosse
2. Fitnessstudio :/
3. Myspace
22. Die wichtigste Sache, von der ich jemanden überzeugen wollte?
Mir selbst, dass ich das schaff!
23. Das schönste Geschenk, das ich jemandem gemacht habe?
Anni fand ihre Weihnachtsgeschenke glaube ich so richtig cool
24. Das schönste Geschenk, das mir jemand gemacht hat?
Die Uni hat mir diesen Zulassungsbrief geschickt!
25. Der schönste Satz, den jemand zu mir gesagt hat?
"Manche Dinge ändern sich nie"
26. Der schönste Satz, den ich zu jemandem gesagt habe?
"Nein, ich weiß"
27. 2009 war mit einem Wort?
Ereignisreich!!!
Tina90 - 3. Jan, 11:57
Dieses Silvester muss episch und legendär werden. Wenn nicht, bin ich verdammt enttäuscht!
Wie grade erfahren muss ich ganze 60 Euro hinblättern, um bei einem Mongolen mit Kuhfellsesseln nicht so viel zu essen und trinken, als dass es sich rentieren würde.
Hinzu kommt Geld für Drogen und Feuerwerk...
So teuer kam mich glaube ich eine Feier noch nie zu stehen, deswegen dachte ich mir, das muss ich einem Blog festgehalten werden! Dann lese ich das irgendwann und denke mir: Holy cow, das war deine erste richtig teure Feier und sie war [that's future Tinas space to fill in]. In den nächsten Tagen kommt dann noch der Jahresrückblickblog. Auf den freu ich mich schon lang :)
Wehe morgen wird nicht absolut gut!!!
Tina90 - 30. Dez, 23:45
„Hier an der TU Dortmund fühle ich mich wohl“
Ein Befürworter der Studiengebühren zeigt Flagge
„Streiken wegen der Studiengebühren? – Ist doch Quatsch“ winkt Daniel S. entschlossen ab, eigentlich gewillt über dieses Thema nicht weiter zu diskutieren. „Ich habe so langsam das Gefühl mit meiner Meinung absolut alleine dazustehen.“ Ganz Deutschland streikt, selbst in der Tagesschau ist der Kampf um bessere Bildung eines der Top-Themen. Doch für Daniel S., Student der TU Dortmund, ist die Sache klar: Es ist gibt auch andere Meinungen zum Thema Studiengebühren.
Dortmund – Die Fronten sind verhärtet, Kommunikation findet nicht statt. Erst Montagabend wurde der Hörsaal im Gebäude EF 50 mit einem Polizeiaufgebot geräumt. Eine Reaktion der Rektorin Ursula Gather auf tagelange Besetzung. Ein selbstgespraytes Streik-Banner flattert nun an der Fassade des Gebäudes EF 50 im winterlichen Wind des Campus. Es ist eben nicht sehr viel übrig geblieben von der anarchistischen Stimmung der letzten Wochen. Für Daniel eine positive Entwicklung. Er findet es legitim, Geld für Bildung zu bezahlen. „Wenn alles rund läuft wird das Geld ja auch für bessere Lehrbedingungen eingesetzt.“ Zugegeben, die Verwendung kann an einigen Stellen noch verbessert werden. Doch Daniel S. kommt aus den USA, wo man selbst an einer staatlichen Hochschule pro Jahr schätzungsweise 8000 Dollar bezahlen muss. Da wirken die Kosten in Deutschland vergleichsweise gering, findet der Austausch-Student. Selbst Barack Obama, der vielleicht mächtigste Mann der Welt, erzählte im Wahlkampf 2008, dass er und seine Frau gerade erst ihre Studienkredite abbezahlt hätten und nun anfingen, für ihre Kinder zu sparen. Vielleicht nur Floskeln innerhalb eines großen Wahlkampfs, doch offenbar sehen sie die Studiengebühren als große Investition in die Zukunft. Auch die Statistiken geben eine eindeutige Richtung vor: Mit einem Uni-Abschluss verdient man im Durchschnitt weitaus mehr als ohne. Außerdem sind die Chancen einen Job zu erhalten auch in Krisenzeiten von vornherein größer. Das hat eine kürzlich im Rahmen des Bildungsberichts veröffentlichte Studie der OECD ergeben. Auch für Daniel sind die Studiengebühren eine sinnvolle Investition. An der TU Dortmund fühle er sich wohl: Die Bibliotheken seien gut ausgestattet und sein Hauptgebäude, eben angesprochenes EF 50, sei von innen komplett renoviert. „Das Geld, was ich jetzt für meine Bildung bezahle, kann ich mit dem Job, den ich durch sie erhalte, schnell zurückzahlen.“ Das müsse man einfach immer im Hinterkopf haben. Sonst komme es einem schon sehr viel vor, murmelt Daniel in seinen Drei-Tage-Bart und reibt sich die Arme. Er friert und schaut sich verlegen um. Kalt ist es geworden, in Dortmund und lange Quatschen kann er ohnehin nicht. Er muss ja etwas Lernen für sein Geld. Und so geht er lieber wieder rein, in die Bibliothek, entgegen dem winterlichen Wind der heute hier auf dem Campus sein Unwesen treibt.
Tina90 - 6. Dez, 12:58
Zwischen Büchern und Puppen, Hektik und Stille
Ein emotionaler Rundgang durch die Welt des Trödelmarktes
Zehn Uhr Morgens, Parkplatz EF 50 der TU Dortmund. Der deftige Geruch gegrillter Würstchen liegt wie eine Decke über dem hektischen Treiben.
Ich versuche mich durch eine Gruppe von Menschen zu drücken, ohne dabei jemanden ernsthaft zu verletzen. Auf Kofferraumkanten sitzende Händler, Kleiderhaufen und rostige Werkzeuge in Wäschekörben ziehen meine Blicke auf sich. Mein Handy verrät: Eigentlich ein ganz normaler Samstag im Westen Deutschlands - doch hier herrschen andere Gesetze: Die Gesetze des Trödels.
„Auf diesem Tisch alles einen Euro, billiger geht's nicht" untermalt von einem kleinen Glöckchen
erregt meine Aufmerksamkeit. Ein kurzes Ausloten der Angebote lässt meine innere Spannungskurve allerdings spontan wieder fallen: Für einen Euro gibt es hier nichts, was mein Trödler-Herz höher schlagen lässt. Sehnsüchtig schaue ich zwei Studenten nach, die einen chicen Hutständer wegtragen. Der hätte mir auch gefallen. Aber heute ist wohl nicht mein Tag. Die guten Sachen sind um diese Uhrzeit schon längst weg, aber auch meine Muße zu stöbern lässt zu wünschen übrig. Ich versuche das Gesamtbild zu erfassen, die Stimmung auf mich wirken zu lassen. Alles fließt, wusste schon Heraklit und wird jetzt auch mir bewusst. Wenn ich hier etwas erzwingen will, werde ich kläglich scheitern. Dass ich etwas finde, was mir gefällt, klappt ja nicht mal im richtigen Leben, geschweige denn an einem Ort wie diesem, wo scheinbar alles Zufall ist. Und Zufall ist ja bekanntlich, wenn unsere Berechnungen versagen.
Trotz dieser ernüchternden Erkenntnis und der bedrückenden Gewissheit, dass in absehbarer Nähe auch der kommerzielle Teil des Marktes mit Kaffeemaschinen und absolut überflüssigem Handyzubehör auf mich wartet, bleibt meine Motivation vielleicht doch noch etwas Interessantes, Schönes oder Kurioses zwischen all den Nerzmänteln und überteuerten Kaffeeservicen zu finden, konstant. Ich lasse schlechte Stillleben, geschliffene Bleikristallgläser in den verschiedensten Farben und andere „Antiquitäten“ hinter mir. Sie leiden unter dem Stolz ihrer Verkäufer, stets im Glauben der von Oma gepriesenen Hochwertigkeit. Gleich daneben liegen rostige Fleischwölfe in aufgeweichten Kisten – ein sich mir aufdrängender, penetranter Kontrast vom Verständnis des Trödelmarktes, der sich auch in der Präsentation der Waren niederschlägt: Auf dem Boden zu meiner Linken der erste Kleiderhaufen. Er soll zum Wühlen animieren. Unterstützt wird er von selbst gemalten Schildern mit der Aufschrift „Alles 50 Cent“.
Wild gestikulierende Händler „legen noch was drauf“ oder „machen unschlagbare Angebote“. Klare Vertreter der Marktschreier-Variante, während unter ihnen auch die Stillen weilen: Teilnahmslos ziehen sie an ihrer Zigarette, blicken ins Leere, wirken fast apathisch. Ich traue mich kaum, nach dem Preis dieser Tasche oder jener CD zu fragen, immer in Angst, die poetische Melancholie zu zerstören. Gelb-gefärbte Blätter fegen über den Platz und ein kühler Wind lässt mich erschaudern bevor mich ein leichtes, aber bestimmtes Schultertippen aus meiner pathetischen Stimmung holt.
„Sie kommen jetzt mal bitte mit“, und bevor ich weiß wie mir geschieht stehen zwei kräftig gebaute Männer in schwarzen Jacken wie Schränke vor mir, darauf der klar zu lesende Schriftzug „Security“. „Können Sie mir bitte erklären, was Sie sich da aufschreiben?“ fragt mich Nummer 1 bestimmt bis unfreundlich. Er wirkt wütend, obwohl ich noch kein Wort von mir gegeben habe. Meine Rechtfertigung beschränkt sich auf den Verweis auf meine journalistische Tätigkeit. Nummer 2 besänftigt seinen Kollegen, der mein Verhalten immer noch nicht zu tolerieren scheint. Er kann sich kaum beruhigen. Ich überlege, wie vielen Jahre es wohl schon das Good-Cop/Bad-Cop Konzept gibt und muss unwillkürlich schmunzeln. Der „Gute“ erklärt mir, es gäbe oft Personen vom Ordnungsamt oder andere, die sich die Händler aufschrieben. Der „Böse“ schaut beschäftigt und mit heruntergezogenen Augenbrauen auf die Menge. Die Situation ist skurril, doch ich nicke und gebe zu verstehen, dass ich ihre Reaktion nachvollziehen kann und wende mich ab.
Ich fühle mich unwohl, werde dauernd angerempelt. Jeder will das Beste für sich rausholen. Die Masse ist genervt von Leuten wie mir, die die Stimmung auf sich wirken lassen wollen, vor sich hinträumen und vergessen, weswegen sie eigentlich hier sind. Im Normalfall wäre ich wohl genauso genervt. Wer zum passiven Beobachter wird, hat unter dem Kontrast von Hektik zu Monotonie zu leiden. Der Regelmäßigkeit des Trödels. Heute ist wirklich nicht mein Tag. Aber nächste Woche ist ja wieder ein Trödelmarkt. Genau hier. Genau jetzt.
Tina90 - 5. Dez, 14:07
Typ IV ist ca. 17-25 Jahre alt.
Wichtigste Merkmale: - French Manicure, wahlweise mit kleinen Glitzeraccessoires "verziert"
- Braune Lederjacke, natürlich und unbedingt mit Strickbündchen, was anderes kommt gar nicht in die Tüte
- Pinker Gürtel mit einer fetten silbernen Schnall, was das Motiv angeht so kann hier frei zwischen Totenköpfen, D&G Logos oder Kronen gewählt werden. Ein bisschen Strass kann auch gerne dabei sein
- Die Haare sind wasserstoffblong gefärbt und sehen echt fertig aus.
- Ganz viel Schmuck, Ringe, Ketten, große runde Ohrringe!
- und zu guter Letzt die Schuhe: Weiß, von Tack, Kunstleder bitte!
Eigenschaften: - Macho als Freund, der raucht und mindestens genauso hässliche Ketten trägt
- hängt gern an Bahnhöfen rum
- schprischt irgändwie komisch, alter, was kugscht du so?
- pöbelt rum
- ABER steht voll auf Werte
Tina90 - 5. Dez, 13:56
Es ist echt schwer den ganzen Tag bei den immer selben Sätzen freundlich zu bleiben. "Eine Tüte dazu?"
Eine 22 Stunden Woche gipfelt in Kopfschmerz und keinem hohen Kundenkomfort. "Ich schau einmal nach, ob wir das Buch bestellen können."
Wenn man darüber nachdenkt, wir nett ich bin... "Tüte dazu?" --> "Ja, das wäre sehr nett."
Gibt es nicht eine Möglichkeit, die Sätze etwas aufzupeppen? Na gut einigen Kunden muss ich Antworten wie "phantastische Idee" oder " Ja bitte" zugute halten.
"Ich suche das Buch XY" "Ja, das haben wir da, soll ichs Ihnen schnell holen?"
Der Kunde ist einfach gestrickt. Wenn er bekommt was er möchte, schnell und gut und ordentlich, ist alles gut. Passt ihm etwas nicht, wirds ungemütlich. "Haben Sie das nochmal verpackt?" "Da ist ein Kratzer drauf, können Sie mir eine andere [
Abdeckplatte ; Anm. derAutorin] holen?" "Sie werden doch wohl Buch XY haben?"
"Ich hätte gern das Buch von XY!" "Wissen Sie denn den Titel des Buches?" "Nein"
Kunden haben eine Anspruchshaltung. Auch bei Service. "Das haben Sie aber nicht schön eingepackt, das machen Sie aber nochmal"
Und es gibt Kunden, die sind Arschlöcher. Aber auch nette Kunden gibt es. Es gibt Kunden, die einen für sein Alter verurteilen. Und Kunden mit denen man deswegen auf einer Wellenlänge ist.
Das waren einige Gedanken dieser Arbeitswoche. Blog und so. und in diesem Sinne
"wünsche ich Ihnen noch einen schönen Tag, Tschüüs"
Tina90 - 7. Nov, 18:15