Donnerstag, 21. Januar 2010

Filmkritik - Losers and Winners

Losers and Winners – ein globalisierter „Culture Clash“



Schätzungsweise 20 Chinesen mit Helmen sitzen an einem Tisch und diskutieren angeregt. „Ihr müsst euch ihre Gewohnheiten merken und dann flexibel sein.“ „Ihre“,... das sind „die Deutschen“. Die Arbeiter, die früher in der Kokerei Kaiserstuhl in Dortmund gearbeitet haben und nun beim Abbau mit Rat und Tat zur Seite stehen sollen. Eine Aufgabe, die beiden Seiten nicht sehr leicht fällt.

Abbruch West – Aufbau Fernost: Das Thema dieses Dokumentarfilms ist in Zeiten der Globalisierung hochaktuell. Die in Dortmund im Jahre 1992 in Betrieb genommene und nach acht Jahren stillgelegte Kokerei Kaiserstuhl hat sich nicht rentiert. Auch die Tatsache, dass die Anlage die modernste der Welt war hat nichts daran geändert, dass der Koks aus dem Ausland billiger war. Qualität weicht der Profitgier, ein Phänomen, das heutzutage nicht nur bei großen Industrieangelegenheiten anzutreffen ist.

Zugeschlagen hat die Firma „Yankuang“, ein Unternehmen mit Blick in die Zukunft – wie zweifellos festzustellen ist. Da wird ein Mercedes Werbeposter als Metapher für das eigene Land umfunktioniert: „Das „alte Modell“ fährt von uns weg, die „neuen“ bewegen sich auf uns zu.“ Oder auch die sehr bezeichnenden Worte eines Arbeiters: „Das Meer des Lernens kennt keine Ufer.“ Es sind Zitate wie diese, die den Charakter der Chinesen im Film darstellen und repräsentieren. Der feste Wille, eines Tages technisch so weit wie Deutschland zu sein, scheint tief in den Köpfen verankert. Der Profit mit der Profitgier – billige Arbeiter und billige Materialien ermöglichen es westlichen Ländern kaum, China die Stirn zu bieten. Eine hochmoderne Kokerei kurzerhand 8000 Kilometer nach Osten zu versetzen ist da nur ein kleiner Faktor.
Doch trotz all dieser Zukunftsvisionen scheinen die Fernostler noch immer politisch verklärt und rückständig. Mao-Zitate und Lieder über den Kommunisten halten den Glauben und die Propaganda ans Vaterland ebenso aufrecht wie „Du sollst die Würde unseres Staates verkörpern“ und „Du sollst reichhaltiges und besseres Leben anstreben.“ Mit dem reichhaltigen Leben ist man sich nicht sicher, wenn zwei der Arbeiter erzählen, dass ihre Unterbringung auf dem Bau in China nicht so komfortabel wie hier sei – in einem kahlen weißen, kleinen Zimmer mit sehr schlecht aussehenden Betten sitzend. Doch da das Meer des Lernens ja bekanntlich keine Ufer kennt räumt auch der Chef ein, dass in Deutschland bereits viel gelernt wurde – zum Beispiel wie sehr die Deutschen auf den Umweltschutz achten. In ihrem Heimatland hätte man die ganzen wilden Tauben wohl schon längst gefangen und gegessen – ein Glück für die fetten Dortmunder Stadttauben.
Die Situationskomik dieser Dokumentation ist durchaus amüsierend – auch, dass die kleine und zart aussehende Dolmetscherin grundsätzlich von beiden Seiten auf die Mütze bekommt, weil deutsche und chinesische Arbeiter sich nicht direkt verständigen können, hat einen gewissen Charme. Verärgerte deutsche Ex-Koker die sich über falsch angeschlossene Steckdosen ärgern und feststellen, dass Leitern mit Draht zusammengeflickt wurden um 20 Meter hohe Dächer zu erreichen, ebenso.
Gleichzeitig wird man bei dem Film aber auch nachdenklich. Eine gewisse Melancholie drückt sich durch stille Aufnahmen des Kokerei-Geländes und Interviews mit desillusionierten Deutschen in weiten Teilen in den Vordergrund. Die Chinesen dabei zu beobachten, wie sie den alten Arbeitsplatz abbauen lässt unweigerlich die Gedanken an die Vergangenheit überwiegen. Das, was sie zuvor mühevoll und intensiv gewartet und gepflegt haben, „verrottet“ jetzt brachliegend auf den Abtransport wartend.
Geredet wird zwischen den Parteien nur, wenn es notwendig ist. Eine unterschwellige Antipathie gegenüber der fremden Zivilisation schwingt bei jeder Unterhaltung mit. Obwohl sich Werner und Co. Mühe geben, den Chinesen Tipps zu geben, werden vor allem diese das Gefühl nicht los, dass eine gewisse Arroganz hier die Vorherrschaft hat. „Chinesen sind auch klug, nicht dumm, das ist keine gute Zusammenarbeit“ äußert sich einer der Asiaten in gebrochenem, doch zielsicherem Deutsch. Werners fast Verständnis-heuchelnde Meinung dazu: „Ich mein, die können ja nichts dafür [dass sie keine Ahnung davon haben, was sie tun“; Anm. d. Autorin].
Auch die Arbeitshaltung birgt aus allem vorhergesagtem resultierend einen krassen Kontrast: Die sonst sehr ruhigen Chinesen wirken fast übermotiviert, diskutieren angeregt. Auch mit unterschiedlichen Löhnen wird den Arbeitern Druck gemacht, die Lage verdeutlicht. „Nichts bleibt wie es einmal war, das kann euch nicht egal sein.“ Die „Liste der Glanzvollen und Ruhmreichen“ spricht für sich und erinnert an das Amerikanische „Employee of the month“ - eine Belohnung für den fleißigsten und erfolgreichsten Arbeitnehmer des Monats. Ob hierbei die Arbeitsmoral auf der Strecke bleibt oder angespornt wird ist sicherlich ein großer Streitpunkt. Die Deutschen dagegen lassen sich Zeit, denn sie haben genug davon, sie haben nichts zu verlieren, nichts zu gewinnen. Selbst bei den Worten „Wenn die nächsten hundert kommen, weiß ich nicht wie man da den Überblick behalten soll“ wirkt Werner gelassen. Er lässt alles auf sich zukommen.

An Preisen und Auszeichnungen mangelt es dem Film sicher nicht – doch wird hier mit den Erwartungen gespielt? Auf eine Handlung wartet man vergeblich, was dem Film gewisse Längen verleiht. Die Bilder wirken amateurhaft gedreht, was jedoch neben der Tatsache, dass es eine WDR Produktion ist, intuitiv auch für die Seriösität dieser Dokumentation spricht.
Minutenlange, mit chinesisch anmutender Musik unterlegte Szenen der Bauarbeiten, des langsam zur Brache werdenden Geländes wirken an einigen Stellen dröge. Auf einem Kokereigelände gibt es nicht viel Schönes und Neues zu sehen. Die Szenerie verliert an Reiz. Die Konsequenzen für die Protagonisten bleiben an vielen Stellen offen. Auch die Dokumentation der Silvesterfeier der Chinesen bei propagierendem Fernsehen und glückbringendem Essen erschließt sich der Intention des Filmes nicht ganz. Die starke Divergenz der Grundeinstellung ist aber eine ganz zentrale und gut herausgestellte These des Filmes. Wie man mit der Globalisierung umgeht, ob man aufgibt oder weitermacht, sich anpasst oder auf alten Schienen bleibt ist etwas, das China und Deutschland trennt wie sonst kaum etwas. Vielleicht lehrt dieser Film, dass uns Arroganz, Sport treiben und Umweltschutz nicht mehr lange am Leben hält – Wo ist das bissige Deutschland hin?

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