... und meine geistigen Ergüsse des Studiums will ich natürlich auch nicht vorenthalten
Zwischen Büchern und Puppen, Hektik und Stille
Ein emotionaler Rundgang durch die Welt des Trödelmarktes
Zehn Uhr Morgens, Parkplatz EF 50 der TU Dortmund. Der deftige Geruch gegrillter Würstchen liegt wie eine Decke über dem hektischen Treiben.
Ich versuche mich durch eine Gruppe von Menschen zu drücken, ohne dabei jemanden ernsthaft zu verletzen. Auf Kofferraumkanten sitzende Händler, Kleiderhaufen und rostige Werkzeuge in Wäschekörben ziehen meine Blicke auf sich. Mein Handy verrät: Eigentlich ein ganz normaler Samstag im Westen Deutschlands - doch hier herrschen andere Gesetze: Die Gesetze des Trödels.
„Auf diesem Tisch alles einen Euro, billiger geht's nicht" untermalt von einem kleinen Glöckchen
erregt meine Aufmerksamkeit. Ein kurzes Ausloten der Angebote lässt meine innere Spannungskurve allerdings spontan wieder fallen: Für einen Euro gibt es hier nichts, was mein Trödler-Herz höher schlagen lässt. Sehnsüchtig schaue ich zwei Studenten nach, die einen chicen Hutständer wegtragen. Der hätte mir auch gefallen. Aber heute ist wohl nicht mein Tag. Die guten Sachen sind um diese Uhrzeit schon längst weg, aber auch meine Muße zu stöbern lässt zu wünschen übrig. Ich versuche das Gesamtbild zu erfassen, die Stimmung auf mich wirken zu lassen. Alles fließt, wusste schon Heraklit und wird jetzt auch mir bewusst. Wenn ich hier etwas erzwingen will, werde ich kläglich scheitern. Dass ich etwas finde, was mir gefällt, klappt ja nicht mal im richtigen Leben, geschweige denn an einem Ort wie diesem, wo scheinbar alles Zufall ist. Und Zufall ist ja bekanntlich, wenn unsere Berechnungen versagen.
Trotz dieser ernüchternden Erkenntnis und der bedrückenden Gewissheit, dass in absehbarer Nähe auch der kommerzielle Teil des Marktes mit Kaffeemaschinen und absolut überflüssigem Handyzubehör auf mich wartet, bleibt meine Motivation vielleicht doch noch etwas Interessantes, Schönes oder Kurioses zwischen all den Nerzmänteln und überteuerten Kaffeeservicen zu finden, konstant. Ich lasse schlechte Stillleben, geschliffene Bleikristallgläser in den verschiedensten Farben und andere „Antiquitäten“ hinter mir. Sie leiden unter dem Stolz ihrer Verkäufer, stets im Glauben der von Oma gepriesenen Hochwertigkeit. Gleich daneben liegen rostige Fleischwölfe in aufgeweichten Kisten – ein sich mir aufdrängender, penetranter Kontrast vom Verständnis des Trödelmarktes, der sich auch in der Präsentation der Waren niederschlägt: Auf dem Boden zu meiner Linken der erste Kleiderhaufen. Er soll zum Wühlen animieren. Unterstützt wird er von selbst gemalten Schildern mit der Aufschrift „Alles 50 Cent“.
Wild gestikulierende Händler „legen noch was drauf“ oder „machen unschlagbare Angebote“. Klare Vertreter der Marktschreier-Variante, während unter ihnen auch die Stillen weilen: Teilnahmslos ziehen sie an ihrer Zigarette, blicken ins Leere, wirken fast apathisch. Ich traue mich kaum, nach dem Preis dieser Tasche oder jener CD zu fragen, immer in Angst, die poetische Melancholie zu zerstören. Gelb-gefärbte Blätter fegen über den Platz und ein kühler Wind lässt mich erschaudern bevor mich ein leichtes, aber bestimmtes Schultertippen aus meiner pathetischen Stimmung holt.
„Sie kommen jetzt mal bitte mit“, und bevor ich weiß wie mir geschieht stehen zwei kräftig gebaute Männer in schwarzen Jacken wie Schränke vor mir, darauf der klar zu lesende Schriftzug „Security“. „Können Sie mir bitte erklären, was Sie sich da aufschreiben?“ fragt mich Nummer 1 bestimmt bis unfreundlich. Er wirkt wütend, obwohl ich noch kein Wort von mir gegeben habe. Meine Rechtfertigung beschränkt sich auf den Verweis auf meine journalistische Tätigkeit. Nummer 2 besänftigt seinen Kollegen, der mein Verhalten immer noch nicht zu tolerieren scheint. Er kann sich kaum beruhigen. Ich überlege, wie vielen Jahre es wohl schon das Good-Cop/Bad-Cop Konzept gibt und muss unwillkürlich schmunzeln. Der „Gute“ erklärt mir, es gäbe oft Personen vom Ordnungsamt oder andere, die sich die Händler aufschrieben. Der „Böse“ schaut beschäftigt und mit heruntergezogenen Augenbrauen auf die Menge. Die Situation ist skurril, doch ich nicke und gebe zu verstehen, dass ich ihre Reaktion nachvollziehen kann und wende mich ab.
Ich fühle mich unwohl, werde dauernd angerempelt. Jeder will das Beste für sich rausholen. Die Masse ist genervt von Leuten wie mir, die die Stimmung auf sich wirken lassen wollen, vor sich hinträumen und vergessen, weswegen sie eigentlich hier sind. Im Normalfall wäre ich wohl genauso genervt. Wer zum passiven Beobachter wird, hat unter dem Kontrast von Hektik zu Monotonie zu leiden. Der Regelmäßigkeit des Trödels. Heute ist wirklich nicht mein Tag. Aber nächste Woche ist ja wieder ein Trödelmarkt. Genau hier. Genau jetzt.
Ein emotionaler Rundgang durch die Welt des Trödelmarktes
Zehn Uhr Morgens, Parkplatz EF 50 der TU Dortmund. Der deftige Geruch gegrillter Würstchen liegt wie eine Decke über dem hektischen Treiben.
Ich versuche mich durch eine Gruppe von Menschen zu drücken, ohne dabei jemanden ernsthaft zu verletzen. Auf Kofferraumkanten sitzende Händler, Kleiderhaufen und rostige Werkzeuge in Wäschekörben ziehen meine Blicke auf sich. Mein Handy verrät: Eigentlich ein ganz normaler Samstag im Westen Deutschlands - doch hier herrschen andere Gesetze: Die Gesetze des Trödels.
„Auf diesem Tisch alles einen Euro, billiger geht's nicht" untermalt von einem kleinen Glöckchen
erregt meine Aufmerksamkeit. Ein kurzes Ausloten der Angebote lässt meine innere Spannungskurve allerdings spontan wieder fallen: Für einen Euro gibt es hier nichts, was mein Trödler-Herz höher schlagen lässt. Sehnsüchtig schaue ich zwei Studenten nach, die einen chicen Hutständer wegtragen. Der hätte mir auch gefallen. Aber heute ist wohl nicht mein Tag. Die guten Sachen sind um diese Uhrzeit schon längst weg, aber auch meine Muße zu stöbern lässt zu wünschen übrig. Ich versuche das Gesamtbild zu erfassen, die Stimmung auf mich wirken zu lassen. Alles fließt, wusste schon Heraklit und wird jetzt auch mir bewusst. Wenn ich hier etwas erzwingen will, werde ich kläglich scheitern. Dass ich etwas finde, was mir gefällt, klappt ja nicht mal im richtigen Leben, geschweige denn an einem Ort wie diesem, wo scheinbar alles Zufall ist. Und Zufall ist ja bekanntlich, wenn unsere Berechnungen versagen.
Trotz dieser ernüchternden Erkenntnis und der bedrückenden Gewissheit, dass in absehbarer Nähe auch der kommerzielle Teil des Marktes mit Kaffeemaschinen und absolut überflüssigem Handyzubehör auf mich wartet, bleibt meine Motivation vielleicht doch noch etwas Interessantes, Schönes oder Kurioses zwischen all den Nerzmänteln und überteuerten Kaffeeservicen zu finden, konstant. Ich lasse schlechte Stillleben, geschliffene Bleikristallgläser in den verschiedensten Farben und andere „Antiquitäten“ hinter mir. Sie leiden unter dem Stolz ihrer Verkäufer, stets im Glauben der von Oma gepriesenen Hochwertigkeit. Gleich daneben liegen rostige Fleischwölfe in aufgeweichten Kisten – ein sich mir aufdrängender, penetranter Kontrast vom Verständnis des Trödelmarktes, der sich auch in der Präsentation der Waren niederschlägt: Auf dem Boden zu meiner Linken der erste Kleiderhaufen. Er soll zum Wühlen animieren. Unterstützt wird er von selbst gemalten Schildern mit der Aufschrift „Alles 50 Cent“.
Wild gestikulierende Händler „legen noch was drauf“ oder „machen unschlagbare Angebote“. Klare Vertreter der Marktschreier-Variante, während unter ihnen auch die Stillen weilen: Teilnahmslos ziehen sie an ihrer Zigarette, blicken ins Leere, wirken fast apathisch. Ich traue mich kaum, nach dem Preis dieser Tasche oder jener CD zu fragen, immer in Angst, die poetische Melancholie zu zerstören. Gelb-gefärbte Blätter fegen über den Platz und ein kühler Wind lässt mich erschaudern bevor mich ein leichtes, aber bestimmtes Schultertippen aus meiner pathetischen Stimmung holt.
„Sie kommen jetzt mal bitte mit“, und bevor ich weiß wie mir geschieht stehen zwei kräftig gebaute Männer in schwarzen Jacken wie Schränke vor mir, darauf der klar zu lesende Schriftzug „Security“. „Können Sie mir bitte erklären, was Sie sich da aufschreiben?“ fragt mich Nummer 1 bestimmt bis unfreundlich. Er wirkt wütend, obwohl ich noch kein Wort von mir gegeben habe. Meine Rechtfertigung beschränkt sich auf den Verweis auf meine journalistische Tätigkeit. Nummer 2 besänftigt seinen Kollegen, der mein Verhalten immer noch nicht zu tolerieren scheint. Er kann sich kaum beruhigen. Ich überlege, wie vielen Jahre es wohl schon das Good-Cop/Bad-Cop Konzept gibt und muss unwillkürlich schmunzeln. Der „Gute“ erklärt mir, es gäbe oft Personen vom Ordnungsamt oder andere, die sich die Händler aufschrieben. Der „Böse“ schaut beschäftigt und mit heruntergezogenen Augenbrauen auf die Menge. Die Situation ist skurril, doch ich nicke und gebe zu verstehen, dass ich ihre Reaktion nachvollziehen kann und wende mich ab.
Ich fühle mich unwohl, werde dauernd angerempelt. Jeder will das Beste für sich rausholen. Die Masse ist genervt von Leuten wie mir, die die Stimmung auf sich wirken lassen wollen, vor sich hinträumen und vergessen, weswegen sie eigentlich hier sind. Im Normalfall wäre ich wohl genauso genervt. Wer zum passiven Beobachter wird, hat unter dem Kontrast von Hektik zu Monotonie zu leiden. Der Regelmäßigkeit des Trödels. Heute ist wirklich nicht mein Tag. Aber nächste Woche ist ja wieder ein Trödelmarkt. Genau hier. Genau jetzt.
Tina90 - 5. Dez, 14:07